Schreib mal wieder

A. Kaltenbacher


    

In diesem Artikel beschreibe ich meine Probleme mit der Erstellung eines längeren Textes mit verschiedenen Textverarbeitungssystemen. Dieser Bericht und das daraus folgende Ergebnis ist natürlich rein subjektiv und wird sicherlich mit der Meinung "eingefleischter" Verfechter dieser Systeme kollidieren.

Wie alle Jahre wieder (nein nicht Weihnachten) streift mich der Flügel des Bundesadlers in Form eines DIN A4 Briefes des bayerischen Finanzministers, in dem er mir verschiedene Formulare schickt, die ich doch ausfüllen soll.

Sie wissen natürlich, worum es sich handelt, um die alljährlichen Freuden der Einkommensteuererklärung. Die letzten vier Jahre habe ich dieses Schreiben mit LATEX verfaßt; da ich aber nicht als rückständig gelten wollte, versuchte ich mein Glück auch mit anderen Textsystemen.

Bei der zu erstellenden Erklärung handelt es sich um einen Text von etwa 30 Seiten Umfang (nicht alle vollgeschrieben) mit Inhaltsverzeichnis, einigen Textverweisen auf davor oder dahinter liegende Seiten und einigen seitenübergreifenden Tabellen, es waren keinerlei Graphiken einzubinden, die kopiere ich immer in den Text.

Zunächst, zum Vergleich, die verwendeten PCs und die verwendeten Textsysteme für die diesjährige Steuererklärung:

Privat

  1. PC:

    Noname 486 DX 50 mit 8 MB RAM, einer 240 MB AT-Bus Platte und einer 1 GB SCSI-Platte, einem 15" Farbmonitor, kein Netzwerk

  2. Betriebssystem:

  3. Verwendete Textsysteme:

Beruflich

  1. PC:

    486 DX 33 der Firma B&K mit 8 MB RAM, zwei 50 MB AT-Bus Platten, einem 15" Farbmonitor, eingebunden in einem Novell Netz 3.11

  2. Betriebssystem:

  3. Verwendete Textsysteme bzw. Textsatzsysteme:
    (Diese Tests habe ich während meiner Freizeit durchgeführt, um nicht in den Verdacht zu geraten, ich hätte private Sachen innerhalb der Dienstzeit erledigt!)

Nach der Theorie nun zur Praxis, ich habe den Text nicht im berühmten Adleraugesuchsystem (Kreisen und zustoßen), sondern im Zehnfingersystem erstellt:

  1. LOTUS Ami Pro 3.01

    Dieses Textsystem verwende ich schon seit zwei Jahren für kleinere Texte, kurze Briefe u.ä. sehr gerne, da es schnell und leicht zu übersehen ist und auch TEX-Formeln einbinden kann. Da es ebenfalls die Fähigkeit für Inhaltsverzeichnisse, Verweise und Tabellen (auch die Berechnungen in Tabellen und Überschriften bei seitenübergreifenden Tabellen) hat, wollte ich den Text damit schreiben.

    Die Eingabe des Textes und seine Formatierung dauerte - ohne Inhaltsverzeichnis - fast zwei Tage.

    Ein Inhaltsverzeichnis sollte laut Handbuch und nach verschiedenen anderen Büchern über sog. Layouts leicht einzubinden sein, dem war allerdings nicht so. Will man das Inhaltsverzeichnis nicht auf der ersten Seite beginnen lassen, sondern auf späteren Seiten, so muß man über eigene Dateien ein Inhaltsverzeichnis einbinden. Außerdem produziert das Programm, genauso wie die anderen Windows-Programme, oftmals Abstürze!

    Ich konnte außerdem nach einer sehr langen Tabelle (über etwa zehn Seiten) den Punkt, der danach folgte, nicht als Eintrag für das Inhaltsverzeichnis markieren.

  2. Microsoft Word für Windows 6.0a

    Die Version 6.0a von WinWord läuft wesentlich stabiler und schneller als die Version 6.0, aber trotzdem war die Eingabe des Textes durch einige Abstürze unterbrochen und dauerte etwa zwei Tage, danach war der Text fertig, um verschickt zu werden.

  3. WordPerfect für Windows 6.0a

    Ich bin ein begeisterter Anhänger von WordPerfect-Produkten und war bisher mit WordPerfect für DOS 5.1 sehr zufrieden. Als ich jedoch meinen Text mit WordPerfect für Windows 6.0a erfassen wollte, war das System so langsam und stürzte mir bei so einfachen Arbeiten wie der Markierung für ein Inhaltsverzeichnis ganz leicht ab. Nach kurzer Zeit habe ich die Arbeit mit WordPerfect für Windows 6.0a abgebrochen. Soll diese Textverarbeitung vom Benutzer überhaupt akzeptiert werden, so muß sie noch stabiler und vor allem schneller laufen.

  4. WordPerfect für DOS 5.1

    Wie bereits oben erwähnt, bin ich ein begeisterter Anhänger dieser Textverarbeitung, die mir die obigen Arbeiten erleichtert (Tabellen ueber mehrere Seiten, Inhaltsangabe u.ä.). Da dieses System stabil läuft (außer eine Tabelle fängt knapp am Anfang oder kurz vor dem Ende einer Seite an, da gibt es riesige Probleme), war die Eingabe und Formatierung des Textes fast genauso leicht wie bei TEX, so daß meine Arbeit nach etwas mehr als einem Tag fertig war.

  5. emTEX

    TEX bietet mir durch die vorgegebenen Styles die Möglichkeit, Inhaltsverzeichnisse leicht zu erstellen, und mit SUPERTAB kann ich seitenlange Tabellen produzieren. Die Erstellung eines Stichwortverzeichnisses ist allerdings in TEX, das will ich nicht verschweigen (ein Index war aber auch für den zu erstellenden Text nicht gefordert), nicht sehr einfach; bei den anderen Textverarbeitungssystemen ist dies viel leichter möglich.

    Die Erstellung des Textes unter TEX dauert mit Formatierung und Addition der Tabellen etwa einen Tag; danach war der Text druckfertig und konnte verschickt werden.

Fazit:

Ich weiß natürlich, daß der obige Test subjektiv durchgeführt wurde, aber die Erfassung des Textes unter Windows war zum Teil eine Tortur, außerdem ist es mir egal, ob ich bei der Eingabe schon sehe, was später auf dem Papier eventuell rauskommt. Dadurch wird der PC nur langsamer und stürzt m. E. häufiger ab. Ich weiß allerdings auch nicht, ob diese graphischen Benutzeroberflächen mit den häufigen Abstürzen ergonomisch günstig sind.

Für lange Texte bleibe ich deshalb auch in Zukunft bei emTEX oder bei WordPerfect 5.1.

Oben habe ich noch erwähnt, daß ich außer Konkurrenz LATEX unter LINUX - eine PublicDomain-Version von UNIX - mit einem fast fünfzig Seiten langen Text versucht habe. Dieser Text war bereits als Dokumentation für eine noch zu übersetzende Software vorhanden. Daher wollte ich einmal die Zeiten prüfen, die so ein Text unter DOS und unter LINUX für die Übersetzung benötigt. Das Laufzeitverhalten unter LINUX ist phantastisch; der Durchlauf für die fünfzig Seiten rauscht nur so über den Bildschirm, daß ein Arbeiten damit wirklich Freude macht. Unter DOS kann sich jeder, der mit TEX arbeitet, vorstellen, wie lange der Durchlauf dauert - kein Vergleich mit LINUX! Vielleicht werde ich nächstes Jahr meine Einkommensteuererklärung mit TEX unter LINUX erstellen.