Verstrickt im World Wide Web

I. Kemmerzell


    

Kein anderer INTERNET-Dienst konnte innerhalb kürzester Zeit einen derartigen Aufruhr verursachen wie das World Wide Web. Während vor Jahresfrist das weltweit größte Datennetz in den Redaktionsstuben der (meisten) deutschen Computerzeitschriften noch eher müde belächelt wurde, gibt es mittlerweile kein (nennenswertes) Magazin, das nicht über die Dienste und Aktivitäten im INTERNET berichtet hat. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Informationssystem, das die bislang existierenden Ressourcen in schicker Verpackung quasi unter einem Dach vereint: das World Wide Web. Von manch einem bereits als Auffahrt zum Information Highway propagiert, besitzt World Wide Web derzeit die deutlich höchsten Zuwachsraten an Datenverkehr im INTERNET.

Doch der Reihe nach: 1990 begann eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Tim Berners-Lee am Europäischen Institut für Teilchenphysik (CERN) in Genf ein Projekt, das Wissenschaftlern an verschiedenen Orten den Zugriff auf räumlich (und organisatorisch) verteilte Dokumente ermöglichen sollte. Realisiert wurde dieses Ziel über ein Hypertextsystem, das einzelne Ressourcen über sogenannte `Hyperlinks' in einem Dokument verknüpfte. Ein derartiger Hyperlink erscheint als speziell hervorgehobenes Textstück, das durch eine bestimmte Aktion des Benutzers (z.B. über Tastatureingabe oder Mausklick) im Dialogbetrieb ausgewählt wird. Damit wird der Zugriff auf eine über den entsprechenden Hyperlink definierte Ressource im Netz ermöglicht.

Damit war der Startschuß für das World Wide Web (kurz: WWW oder W3) gefallen. Um allerdings seinem Namen gerecht zu werden, mußte das Projekt auf eine bereits bestehende, (relativ) gut ausgebaute Infrastruktur von weltweit kommunizierenden Rechnern und Netzen zurückgreifen, das INTERNET. Zu einem ordentlichen INTERNET Service gehört zunächst einmal ein wohldefiniertes Protokoll, das die Methodik des Datenaustausches möglichst exakt und umfassend definiert. Für den Zugriff auf Hypertext-Dokumente in einem typischen Client-Server- Umfeld wurde dazu das `Hypertext Transfer Protocol' (HTTP) entwickelt. Das Server-Programm, der sogenannte HTTP-Dämon, steuert dabei den Zugriff auf die von ihm verwalteten Ressourcen. Diese werden von speziellen Client-Programmen, sogenannten Browsern, nachgefragt. Nachdem der Server den Zugriff auf das angeforderte Dokument gestattet, und dieses danach gemäß HTTP an den Client gesendet hat, ist der Browser für eine geeignete Darstellung der erhaltenen Informationen verantwortlich. Für Sie als Benutzer(in) bildet damit der Browser als Frontend das Tor zum World Wide Web.

Der populärste Browser derzeit ist fraglos Mosaic vom National Center of Supercomputer Applications (NCSA), der zweiten großen Entwicklungsschmiede des World Wide Webs, die an der University of Illinois (Urbana Champaign) beheimatet ist. NCSA Mosaic steht für die Betriebssysteme bzw. graphischen Oberflächen MacIntosh System 7, Microsoft Windows (32-bit) und X/Windows zur Verfügung, wobei alle drei Varianten an der Katholischen Universität Eichstätt eingesetzt werden. Neben der kostenlosen Nutzungsmöglichkeit resultiert die Stärke von Mosaic einerseits in der Fähigkeit zur Darstellung von Inline-Grafiken sowie in einem reichhaltigen Angebot von gut strukturierten Bedienelementen.

Zur Erstellung von Hypertextdokumenten wurde die Sprache `Hypertext Markup Language' (HTML) entwickelt. Diese Sprache stellt Syntaxelemente zur Strukturierung eines Hypertext-Dokumentes zur Verfügung und kann andererseits auch als Teil eines SGML-Dokumentes `Standard Generalized Markup Language' im Rahmen einer Dokumententypdefinition (`Document Type Definition', DTD) verwendet werden.

Neben der Präsentationsform als Hypertextsystem spielt die Möglichkeit zur Integration bereits bestehender INTERNET-Dienste, wie etwa ftp, telnet, gopher, wais und news, eine entscheidende Rolle. In einem HTML-Dokument sind daher nicht nur Zugriffe auf weitere Hypertext-Dokumente möglich, sondern ebenso auf Ressourcen der erwähnten Dienste.

Um eine derartige Ressource möglichst einheitlich, aber dennoch eindeutig zu definieren, wurde der `Uniform Resource Locator', kurz: URL, entwickelt. Nachfolgend sehen Sie einige Beispiele real existie- render URLs:

  http://www.ku-eichstaett.de/Welcome.html
  http://www.mit.edu:8001/people/mkgray/comprehensive.html
  file://ftp.ku-eichstaett.de/pub/infosystems/www/ncsa_mosaic/Mosaic/
         Windows/Documents/mosdoc5A.zip
  news:comp.infosystems.www.users
  news:www/faq/part1_786560750@rtfm.mit.edu
  gopher:gopher.ku-eichstaett.de:70/11/urz/INKUERZE
  telnet:opac@sokrates.ku-eichstaett.de

Falls Sie sich bereits etwas mit INTERNET-Diensten beschäftigt haben, werden Sie sicherlich die Namensgebung und deren Bedeutung verstehen. Ansonsten sollten Sie über "Open URL..." im Menue "File" eines Mosaic-Clients diese URLs selbst einmal eingeben und sich mit den entsprechenden Objekten vertraut machen.

Falls ich nun Ihr Interesse am World Wide Web geweckt habe, sollten Sie einfach einen der installierten Mosaic-Clients starten und selbst einmal auf die Reise gehen. Über Methoden zur strukturierten Informationssuche werde ich Sie in der nächsten INKUERZE informieren. Für weitergehende Informationen zum World Wide Web empfehle ich Ihnen die Dezember-Ausgabe (1994) der Zeitschrift iX Multiuser-Multitasking-Magazin.

Ein Hinweis sollte allerdings auch an dieser Stelle nicht fehlen: Wie jeder Datentransfer verursacht der Abruf von Ressourcen im WWW Kosten, wenn Sie auch diese persönlich nicht zu tragen haben. Dies gilt für HTML-Dokumente im WWW verstärkt, da durch die häufig übertriebene Einbindung von Inline-Grafiken mitunter erhebliche Datenmengen transferiert werden. Sie sollten daher folgende Faustregeln zur verantwortungsvollen Nutzung des World Wide Webs beachten:

Wenn Sie diese Regeln beherzigen, steht einer sinnvollen Nutzung des WWWs eigentlich nichts mehr im Wege. Last not least: Viel Spaß!

Literatur:

[1] Berners-Lee, Tim et al:
    The World-Wide Web 
    Communications of the ACM.
    37 (8): 76--82, August 1994

[2] iX Multiuser-Multitasking-Magazin.
    42--84, Dezember 1994