Dr. W.A. Slaby
Während die meisten Universitätsrechenzentren in Deutschland bereits ihr 25-jähriges Bestehen feiern konnten und manche, wie zum Beispiel das Universitätsrechenzentrum der RWTH Aachen, auf eine mehr als 35-jährige Geschichte der Datenverarbeitung an ihrer Hochschule zurückblicken können, ist das Rechenzentrum der Kath. Universität Eichstätt, dessen Errichtung sich am 1. Oktober 1995 zum zehnten Mal jährte, eine vergleichsweise junge Institution, eine Institution allerdings, die aus dem Leben unserer Universität nicht mehr wegzudenken ist.
Genese des Universitätsrechenzentrums
Sicherlich war die überwiegend geisteswissenschaftlich geprägte Struktur der Kath. Universität Eichstätt einer der maßgeblichen Gründe dafür, daß verglichen mit anderen Universitäten erst sehr spät Planungen in die Wege geleitet wurden, an dieser Hochschule ein Rechenzentrum einzurichten. Im Zusammenhang mit konkreten Bemühungen verschiedener Fakultäten (insbesondere der Mathematisch-Geographischen Fakultät) und der Universitätsverwaltung (insbesondere des Referats für Hochschul- und Entwicklungsplanung) im Jahre 1984, für die Eichstätter Hochschule einen Zentralrechner zu beschaffen, wurde seitens der diesen Rechnerantrag begutachtenden Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Auflage gemacht, zunächst ein Universitätsrechenzentrum für die Hochschule zu errichten; dies geschah mit meiner Berufung zum Leiter dieser neuen Zentralen Einrichtung am 1. Oktober 1985. Zwar waren mit dieser Gründung die formalen Voraussetzungen für die Etablierung der Elektronischen Datenverarbeitung in der Kath. Universität Eichstätt geschaffen, nichtsdestotrotz befand sich das Universitätsrechenzentrum in einer schwierigen Ausgangslage:
Sicherlich läßt sich dem zuletzt genannten Punkt auch eine positive Seite abgewinnen: Dank des Fehlens jeglicher "DV-Altlasten" konnte eine stürmische Entwicklung zur Etablierung einer modernen DV-Infrastruktur in Gang gesetzt werden, die auf eingefahrene Systeme und Programme keine Rücksicht nehmen mußte. So konnte noch im Wintersemester 1985/86 ein Pool von 12 vernetzten Mikrocomputern der damals auch an den anderen bayerischen Universitäten üblichen Leistungsklasse beschafft, installiert und im Rahmen einer ersten DV-Ausbildungsveranstaltung genutzt werden. Mit der Fertigstellung des Gebäudes der ehemaligen Orangerie Ende 1986 war auch der zweite wichtige Schritt für eine adäquate DV-Versorgung der Kath. Universität Eichstätt möglich, die Installation und Inbetriebnahme eines eigenen Zentralrechners: Am 19. Februar 1987 wurde ein Zentralrechnersystem Data General Eclipse MV/7800 mit einer Hauptspeicherausstattung von 8~MB, einer Magnetplattenkapazität von 1,8 GB sowie 15 weiteren Mikrocomputern als Endgeräten im Rahmen eines Festkolloquiums seiner Bestimmung übergeben.
Gegenwärtiger Entwicklungsstand
Während in dieser Gründungsphase die Bereitstellung einer DV-Grundausstattung mit einem Zentralrechnersystem und zahlreichen für alle Universitätsmitglieder öffentlich zugänglichen DV-Arbeitsplätzen im Vordergrund stand, war die Entwicklung in den darauffolgenden Jahren von einer massiven Verbesserung der DV-Ausstattung am Arbeitsplatz der Wissenschaftler in den einzelnen Fakultäten geprägt. Außerdem wurden die DV-Arbeitsmöglichkeiten für alle Universitätsmitglieder und dabei insbesondere für die wachsende Zahl der Studierenden durch zusätzliche in zentralen Pools bereitgestellte Mikrocomputer weiter ausgebaut. Um mit den steigenden Anforderungen an Zentralrechnerleistung mithalten zu können, wurde darüber hinaus 1990 der Zentralrechner zu einem System Data General Eclipse MV/9500 mit etwa siebenfacher Prozessorleistung, vierfacher Hauptspeicherkapazität sowie mehr als doppelter Magnetplattenkapazität gegenüber dem Ausgangsmodell erweitert.
So läßt sich der in zehn Jahren erreichte Entwicklungsstand in der Hardware-Ausstattung der Kath. Universität Eichstätt durch die nachstehenden Zahlen in groben Zügen charakterisieren:
Ein weiterer wesentlicher Schritt beim Aufbau einer leistungsfähigen DV-Infrastruktur für die Kath. Universität Eichstätt bestand in der Schaffung eines flächendeckenden hochschulweiten Rechnernetzes. Ausgehend von einer bereits 1990 erfolgten Vernetzung der Gebäude der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und des Universitätsrechenzentrums konnte das Ziel einer flächendeckenden Ausdehnung dieses Rechnernetzes auf die gesamte Hochschule 1993 durch ein spezielles Netz-Investitionsprogramm erreicht werden. Seither sind alle Gebäude am Hochschulstandort Eichstätt durch einen Glasfaser-FDDI-Ring miteinander verbunden; innerhalb jedes Gebäudes verbindet ein Ethernet-Koaxialkabel die Arbeitsräume untereinander. An dieses Eichstätter Campus-Netz ist das lokale Netz der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Ingolstadt über eine ISDN-Leitung mit einer übertragungsleistung von 64 KBit/s gekoppelt.
Einen wesentlichen Teil seiner Funktionalität erhält das hochschulweite Rechnernetz allerdings erst dadurch, daß es über eine Anbindung an das deutsche Wissenschaftsnetz (WiN) und damit an das weltweite Internet verfügt. Kommunikations- und Informationsdienste wie Electronic Mail, wie der Zugriff auf externe Literatur- und Faktendatenbanken, wie der Transfer beliebiger, auf FTP-Servern bereitgestellter Daten oder wie die Nutzung der im WorldWideWeb miteinander "verwobenen" Informations-Server können damit von jedem in das hochschulweite Rechnernetz integrierten DV-Arbeitsplatz aus in Anspruch genommen werden.
Das Universitätsrechenzentrum als zentrale Dienstleistungseinrichtung
Mit der Darstellung der zur Zeit vorhandenen DV-Ausstattung, die ich in meinem Beitrag bisher gegeben habe, ist allerdings die DV-Infrastruktur unserer Universität nur höchst unvollständig charakterisiert. Als wesentlicher Aspekt darf in einer solchen Darstellung sicherlich eine Beschreibung der Aufgaben, die das Universitätsrechenzentrum als zentrale Dienstleistungseinrichtung für die Universität wahrnimmt, und der Angebote, die es für seine Benutzer bereithält, nicht fehlen.
Aus dem reichhaltigen Aufgaben- und Angebotsspektrum des Universitätsrechenzentrums sind insbesondere folgende Schwerpunkte hervorzuheben:
Damit die DV-Ausstattung der Universität sowohl mit den rasanten technologischen Entwicklungen auf diesem Gebiet als auch mit dem sich ständig wandelnden Anforderungsprofil der Benutzer einigermaßen Schritt halten kann, ist eine kontinuierliche Planung der zukünftigen Entwicklung im DV-Bereich unverzichtbar. Diese Aufgabe, die sich vom Entwurf einer geeigneten DV-Versorgungskonzeption und deren kontinuierlicher Fortschreibung bis hin zu ihrer Umsetzung in den jeweiligen Haushaltsplänen erstreckt, wird vom Universitätsrechenzentrum im Auftrag der Hochschulleitung wahrgenommen. Dabei wird das Universitätsrechenzentrum von einer vom Senat der Universität eingesetzten DV-Kommission beraten, in der neben dem Kanzler als Vorsitzendem und dem Leiter des Universitätsrechenzentrums Hochschullehrer aller Fakultäten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studierende vertreten sind.
Auch alle Aktivitäten für ein konkretes DV-Beschaffungsvorhaben obliegen dem Universitätsrechenzentrum. Das gilt sowohl für die DV-Arbeitsplatzausstattung jedes einzelnen Wissenschaftlers, bei der das Universitätsrechenzentrum in Absprache mit dem Betroffenen einen detaillierten Vorschlag für die zu beschaffende Hard- und Software ausarbeitet und diesen Vorschlag nach erfolgter Finanzierungsgenehmigung von der Bestellung bis zur betriebsfertigen übergabe in die Tat umsetzt, als auch für größere DV-Ausstattungsvorhaben wie die Beschaffung von Mikrocomputer-Pools, Workstations und Servern, bei denen in der Regel zusätzlich ein umfangreiches Antrags- und Genehmigungsverfahren zu durchlaufen ist.
Um seinen Benutzern ein verläßliches Angebot an DV-Nutzungsmöglichkeiten unterbreiten zu können, muß das Universitätsrechenzentrum in erster Linie den geordneten Betrieb des hochschulweiten Rechnernetzes und der zentralen DV-Systeme sicherstellen. Das bedeutet zum einen, daß die aktiven Netzkomponenten, der Zentralrechner und die übrigen zentralen Server von seltenen Wartungsunterbrechungen abgesehen täglich rund um die Uhr zur Nutzung zur Verfügung stehen und für die öffentlich zugänglichen zentralen Pools von Mikrocomputer-Arbeitsplätzen großzügig dimensionierte öffnungszeiten vorgesehen werden, zum andern, daß das Spektrum an angebotener Software ständig aktualisiert und den sich wandelnden Anforderungen der Benutzer angepaßt wird, aber auch, daß durch regelmäßige Datensicherung die Benutzer vor einem plötzlichen Verlust ihrer Daten weitgehend geschützt werden.
Erst auf dieser Grundlage eines gesicherten Betriebs kann ein weitgefächertes, dem Anforderungsprofil angepaßtes Angebot an Anwendungssoftware aufgebaut werden. Wegen der vorwiegend geisteswissenschaftlich und empirisch ausgerichteten Struktur der Forschungsaktivitäten an unserer Universität liegen die Schwerpunkte dabei in folgenden Anwendungsbereichen mit den in Klammern aufgeführten Softwareprodukten:
In Absprache mit den Studiengängen, die in ihren Prüfungsordnungen bestimmte DV-Kenntnisse als Prüfungsvoraussetzungen verbindlich vorschreiben, bietet das Universitätsrechenzentrum für die oben genannten DV-Anwendungsbereiche und Softwareprodukte einen festgelegten Kanon entsprechender Ausbildungsveranstaltungen mit praktischen übungen an. Dieses Angebot wird ergänzt durch spezielle Weiterbildungsveranstaltungen für Mitarbeiter der Universität vor allem in den Bereichen der Textverarbeitung und Kommunikation.
Den vom Aufwand an Zeit und Arbeitsbelastung her dominanten Schwerpunkt im Aufgabenspektrum des Universitätsrechenzentrums bildet die Beratung und Unterstützung aller Mitglieder der Universität bei der Nutzung der zentral bereitgestellten DV-Arbeitsmöglichkeiten und hier insbesondere bei der Auswahl und Anwendung der angebotenen Softwaresysteme. Hier spannt sich ein weiter Bogen von der Hilfe bei Problemen mit dem Zugang zu einzelnen Servern über die Beratung bei immer wiederkehrenden Anwendungsfehlern bis hin zur Unterstützung bei der Nutzung spezieller Funktionen einer Software, die im Rahmen des allgemeinen Einführungskurses nicht behandelt werden konnten. Gerade diese Beratungsintensität und -qualität trägt wesentlich zur hohen Akzeptanz von Datenverarbeitungsverfahren in der Forschung und Lehre unserer Universität bei.
Insbesondere bei der Erschließung neuer Einsatzmöglichkeiten der Datenverarbeitung in der Forschung geht die Unterstützung des Universitätsrechenzentrums jedoch weit über die übliche Software-Anwendungsberatung hinaus. Hier gilt es, in intensiver Kooperation mit den betreffenden Wissenschaftlern zu Beginn eines Forschungsvorhabens eine Problemanalyse mit dem Ziel durchzuführen, geeignete DV-Verfahren zur Unterstützung des Forschungsprojekts auszuwählen oder selbst zu entwickeln und diese mit adäquater Software gemeinsam umzusetzen. So konnten in der Vergangenheit bereits verschiedene Kooperationsprojekte wie etwa die Erstellung einer Datenbank zur lateinischen Epigraphik mit dem Lehrstuhl für Alte Geschichte, die Produktion und Publikation verschiedener Konkordanzen gemeinsam mit Wissenschaftlern der Altphilologie oder der Aufbau von Literaturdatenbanken in den Bereichen der Pastoraltheologie und des Kirchenrechts durchgeführt werden. In diesem sicherlich interessantesten Aufgabenfeld des Universitätsrechenzentrums bestehen auch zukünftig reichhaltige Betätigungsmöglichkeiten.
Ohne die massive Aufstockung der Mitarbeiterstellen im Universitätsrechenzentrum auf inzwischen insgesamt 15 (4 Wiss. Mitarbeiter, 9 Programmierer/DV-Systemtechniker, 2 Verwaltungsangestellte) und ohne den unermüdlichen Einsatz aller Mitarbeiter wären dabei weder die Beschaffung, die Installation und der laufende Betrieb dieser DV-Infrastruktur noch die erforderliche Ausbildung, Beratung und Unterstützung der inzwischen mehr als 2600 eingetragenen Benutzer zu leisten gewesen, geschweige denn bei weiter wachsenden Anforderungen künftig zu leisten.
Perspektiven der weiteren Entwicklung
Angesichts der rasanten Entwicklung der DV-Technologie und der Unwägbarkeiten knapper werdender Haushaltsmittel erscheint es mir sehr schwierig, verläßliche Prognosen über die weitere Entwicklung der DV-Infrastruktur an unserer Universität abzugeben. Deshalb sollen an dieser Stelle allenfalls die für die nächsten Monate geplanten Entwicklungen kurz skizziert werden:
Um möglichst vielen Mitgliedern der Universität die Möglichkeit zu eröffnen, sich vom häuslichen Arbeitsplatz aus mit dem privaten Mikrocomputer in das hochschulweite Rechnernetz einzuwählen und die dort oder im weltweiten Internet verfügbaren Dienste und Server zu nutzen, wird das Universitätsrechenzentrum in den nächsten Tagen einen Einwähl-Server Telebit NetBlazer in Betrieb nehmen. Die näheren Details zu seiner Ausstattung und zu den Nutzungsmodalitäten sind in einem gesonderten Beitrag in dieser INKUERZE-Ausgabe beschrieben.
Nachdem das bayerische Wissenschaftsministerium eine entsprechende Unterstützung zugesagt hat, wird die Kath. Universität Eichstätt noch in diesem Jahr die Ergänzung je eines Mikrocomputer-Pools in Eichstätt und Ingolstadt um drei Multimedia-Arbeitsplätze beantragen, die insbesondere in den Bereichen des computer-based training eingesetzt werden sollen.
Zur Unterstützung der Fortgeschrittenenausbildung im Diplomstudiengang Mathematik sowie zur Abdeckung des sonstigen spezifischen DV-Bedarfs der Fachgruppe Mathematik wird im ersten Quartal des nächsten Jahres ein vernetztes DV-System mit einem Unix-Server und 10 Unix-Workstations beschafft, auf dem schwerpunktmäßig spezielle Software wie Axiom, Maple und SAS zum Einsatz kommen wird.
Im Begutachtungsverfahren bei der Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft befindet sich zur Zeit der Antrag der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät auf Beschaffung eines eigenen Fakultäts-Servers. Die entsprechende Genehmigung des Beschaffungsantrages wird für das erste Quartal des Jahres 1996 erwartet.
Im Rahmen der Initiative "Bayern Online" hat sich die Bayerische Staatsregierung das Ziel gesetzt, Teile der in jüngster Zeit erzielten Privatisierungserlöse dafür einzusetzen, daß die Universitäten des Landes mit Hochgeschwindigkeits-Netzanschlüssen mit einer übertragungskapazität von mindestens 34 MBit/s ausgestattet werden. Ebenso wie die übrigen Landesuniversitäten hofft auch die Kath. Universität Eichstätt darauf, ab April 1996 über eine wesentlich leistungsfähigere Anbindung an das Wissenschaftsnetz zu verfügen, die für unsere Universität eine Verbesserung des Datendurchsatzes um den Faktor 272 bedeuten würde.
Noch in diesem Jahr soll ein entsprechender HBFG-Antrag auf den Genehmigungsweg gebracht werden, der die Ablösung des seit mehr als acht Jahren betriebenen Zentralrechners Data General Eclipse MV/9500 mit dem proprietären Betriebssystem AOS/VS durch drei dedizierte Unix-Server, einen Compute-/Applikations-Server, einen Backup-Server sowie einen Kommunikations-Server, zum Ziel hat. Eine Realisierung dieses Beschaffungsvorhabens wird für die zweite Häfte des Jahres 1996 angestrebt.