Das Notenschreibprogramm FINALE für Windows und ein Katalogprojekt der Eichstätter Universitätsbibliothek

Dr. Ch. Großpietsch


Das Notenschreibprogramm FINALE für Windows und ein Katalogprojekt der Eichstätter Universitätsbibliothek Dr. Ch. Großpietsch Finale heißt nicht nur ein Schlußsatz in der Musik. "FINALE" ist auch der Name eines leistungsstarken Musiknotationsprogramms. Die 1988 zunächst für den Macintosh entwickelte Software der amerikanischen Firma Coda gilt neben "Amadeus" und "Score" heute schon als Klassiker unter den professionellen Notensatzprogrammen. FINALE in der deutschen Grundversion 3 arbeitet entweder auf einer Macintosh- oder Windows-Oberfläche. Ein wichtiger Vorteil von FINALE (etwa gegenüber SCORE) ist die relativ leichte Erlernbarkeit. Weitere Vorteile liegen auf der Hand:

Noten zeichnen können inzwischen schon eine Reihe von Musiknotationsprogrammen, auch weniger leistungsstarke. Interessant an FINALE~3 sind die flexiblen Einsatzmöglichkeiten, die es den meisten anderen Musik-EDV-Programmen überlegen macht. FINALE setzt auch bei speziellen Anforderungen und Zeichenwünschen nicht aus. Beispiele dafür: Automatische Transponierung und transponierende Notation in allen erdenklichen Varianten, 1,2,3,4 statt 5 Notenlinien (Schlagzeug), Kreuznotation mit "x" statt eines Notenkopfes (und weitere Spezialzeichen der Neuen Musik), Choralnotation, versetzte Schlüssel, zwei-, drei oder vierstimmiger Musikverlauf innerhalb einer Notenzeile, dabei beliebige Halsung, Sonder-Taktmaße mit korrekter Noteneinpassung. Außerdem ist für Texteditierung gesorgt, sowohl durch Textblöcke als auch Liedtextunterlegung, die automatisch genau unter die jeweilige Note gesetzt wird (bei freier Auswahl des Zeichensatzes). Bindebögen lassen sich recht elegant kreieren. Auch die bewußte Abänderung der Noteneinpassung aus ästhetischen Gründen ist möglich. Voreinstellungen für den Abstand Punkt-Note, Note-Taktstrich, Halslänge usw. lassen sich erzeugen. Weitere sogenannte Bibliotheken mit Voreinstellungen und Vorgaben erleichtern die Arbeit des routinierten Notenschreibers. Schließlich bietet FINALE für Spezialisten von Gitarre und Saiteninstrumenten die Möglichkeit, die Griffschrift anstatt der Notenschrift zu verwenden, die sogenannte Tabulatur.

Der verwendete Zeichensatz Petrucci (nach dem frühesten bekannten Musikdrucker Ottavio Petrucci, der um 1500 in Venedig die ersten Notendrucke herausgab) stellt auch den Kritiker von "maschinell" geschriebenen Noten weitgehend zufrieden. Auf einem Laserdrucker ausgedruckt ist der Ausdruck vom Notenstich praktisch nicht mehr zu unterscheiden. Man kann daher Noteneditionen mit diesem Programm vorbereiten. Interessant ist FINALE auch für den Chor- und Ensembleleiter, der schnell für den nächsten Sonntag einen vierstimmigen Choral benötigt und keine Einzelstimmen extra schreiben will. Vielversprechend ist der Notensatz von FINALE, wenn Notenbeispiele in Texten, z.B. in der Examensarbeit über ein musikalisches Thema, vorkommen sollen. Schließlich liegt ein unübersehbar großes Feld bei der Verwendung des Programms für Hobbykomponisten, Keyboarder usw. über Soundkarte/MIDI-Interface und Keyboard läßt sich das Eingegebene in bewährt guter MIDI-Qualität einspielen, abspielen und modifizieren. Auch Multimedia-Präsentationen lassen sich darstellen, da das Programm in der Lage ist, nicht nur ein- bis zweistimmige Stücke, sondern selbst größere Partituren abzuspielen, während am Bildschirm der Notentext mitbeobachtet werden kann.

Eine weitere Verwendungsmöglichkeit von FINALE ist der Einsatz innerhalb von Bibliothek und Musikarchiv. An der Kath. Universität Eichstätt wird das Programm auf einer Macintosh-Plattform eingesetzt für die Katalogisierung der Eichstätter Musiksammlung Raymund Schlecht, eine umfangreiche musikhistorische Sammlung im Besitz des Eichstätter Domkapitels, die heute in der Universitätsbibliothek beheimatet ist und auf den bedeutenden Pädagogen und Musikhistoriker Raymund Schlecht (1811 - 1891) zurückgeht. Der aus fast 2000 Manuskripten (mit über 7000 Stücktiteln) bestehende handschriftliche Teil der Sammlung mit wertvollen Musikalien des 18. und 19. Jahrhunderts wird derzeit im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine Publikation der Generaldirektion der Bayerischen Bibliotheken katalogisiert. Das Repertoire der Sammlung Raymund Schlecht reicht von höfischer Konzert- und Kammermusik über Kirchenmusik (Messen, geistliche Lieder, Gregorianik) zu Tanzsammlungen und Militärmusik. Die Musiksammlung Raymund Schlecht kann mit über 7000 Handschriften-Stücktiteln als eine der umfangreichsten und auch eine der bedeutendsten Musiksammlungen im reich mit Musikbibliotheken bestückten Bayern gelten. Der Katalog wird Auskunft geben über die Basisinformationen zur jeweiligen Quelle, die wichtigsten diplomatischen Angaben (Originaltitelangaben, Tonart, Format des Papiers, Schreiber, Wasserzeichen usw.)

Darüberhinaus werden in den Katalogtext auch Tausende von kurzen Notenbeispielen, sogenannte Musikincipits, eingebunden, die den Beginn des jeweiligen Musikstückes wiedergeben. Sie werden allesamt in FINALE geschrieben. Dieser musikalische Zusatz ist notwendig, da eine historische Musikhandschrift, die stets auch ein einmaliges Dokument darstellt, letztlich nur über den Notenanfang (nicht über den oft zufällig oder zu allgemein formulierten Originaltitel) eindeutig fixiert werden kann. Dies hat in manchen Fälllen sogar etwas Kriminalistisches an sich: Da sich einst etwa die Werke des schon zu seiner Zeit berühmten Komponisten Joseph Haydn viel besser verkauften als die der unbekannten Zeitgenossen, wurden nicht selten Handschriften unter dem Autorennamen "Haydn" ausgegeben, die gar nicht von diesem Komponisten stammen. Hier kann der Notentext weiterhelfen. Er macht plausibel, ob das Stück mit identischem Notenanfang in einer anderen Sammlung einem weniger bekannten Musiker zugeschrieben wird (der vielleicht der "echte" Komponist sein könnte?). Ein Verzeichnis von Musikhandschriften soll daher ein sogenannter "thematischer" Katalog sein, der möglichst viele Optionen für spätere Recherchen offenhält. Eigens entwickelte, genau angepaßte Musikincipit-Muster in FINALE erleichtern bei der Katalogisierung der Sammlung Raymund Schlecht die Arbeit, damit auch die Noten im Text später aussehen "wie gedruckt".

Im Rahmen einer vierstündigen Einführungsveranstaltung werde ich

am 30.11.95 und 06.12.95, jeweils 16 - 18 Uhr
im Universitätsrechenzentrum, Raum eO-001
einen ersten Überblick zu den Möglichkeiten des Notensatzes mit FINALE 3 für Windows geben. Diese Veranstaltung richtet sich an alle Musikinteressierten, die Musik in gut lesbarer Notation für den eigenen Gebrauch benötigen oder Musikbeispiele in den Text ihrer Seminar- oder Examensarbeit einfügen wollen.


Ansprechpartner in der  Universitätsbibliothek:

Dr. Christoph Grosspietsch  Zimmer Ei: Hofgarten 5      
                            Tel.: -1323               
                            PMail: christoph.grosspietsch