Die Online-Version des Thesaurus Linguae Graecae

Dr. F. Heberlein


O Graeculi ... ! Dieser Äußerung der Ratlosigkeit des antiken Römers gegenüber dem Griechentum ist sicher schon so mancher moderne Softwareentwickler ebenso wie manch einfacher PC-Nutzer beigetreten, der sich mit den besonderen computertechnischen Schwierigkeiten konfrontiert sah, die diese Sprache bereitet. Nicht nur herrscht nach wie vor ein babylonischer Wirrwarr in der Kodierung der griechischen Zeichensätze, sondern auch der Umgang gerade großer Softwarehersteller mit dem Altgriechischen leistet der Vermutung Vorschub, dass diese lästige Minoritätensprache in erster Linie als eine hinderliche Fußangel für den geradlinigen Gang der Geschäfte gilt.

Um so erfreulicher ist es für alle, die sich noch mit griechischer Literatur im Original beschäftigen möchten, dass zumindest die Bibliothek der in digitaler Form verfügbaren Texte und deren Zugänglichkeit einen Entwicklungsgrad erreicht hat, der viel Entdeckerfreude bei wenig Verdruss gewährleistet. Entdeckerfreude ist wohl das angemessenere Wort als Lesevergnügen, denn der Versuch, etwa umfangreiche Teile Platons am Bildschirm zu lesen, verursacht erfahrungsgemäß weniger Freude als hohe Augenarztrechungen. Unerreichbar ist aber der `elektronische Platon', wenn man bestimmte Fragen an den Text stellt - da eröffnen sich Kombinationsmöglichkeiten und Zusammenhänge, die sich einem sonst nur erschließen, wenn man den Autor auswendig kennt.

Zu berichten ist hier also von der neuesten, nämlich der Online-Version des Thesaurus Linguae Graecae, jener in Irvine in den frühen 70er Jahren begonnenen und unter dem langjährigen Direktorium des (ehemaligen Eichstätters) Th. Brunner zu ihrer jetzigen Größe herangewachsenen Sammlung griechischer Texte, die die griechische Literatur von ihren Anfängen bei Homer bis in die frühbyzantinische Zeit vollständig, und von 600 bis 1453 in repräsentativer Auswahl umfasst. Wer sich etwa für die ergreifende Schilderung der letzten Tage von Konstantinopel durch den Historiker Phrantzes interessiert, wird von dieser Sammlung nicht enttäuscht werden.

Diese vom Rechenzentrum der KU bereitgestellte Online-Version ist zunächst einmal sehr komfortabel einzurichten, da es auf dem eigenen Rechner nichts zu installieren gilt, außer dem griechischen Zeichensatz, was schnell erledigt ist. Es existieren zwei `Freeware'-Versionen, nämlich GreekKeys und SpIonic, die an den Internetadressen

ftp://gouda.perseus.tufts.edu/pub/athwin.exe

bzw.

http://rosetta.reltech.org/TC/fonts/windows/SPIONIC_.TTF.zip

zu beziehen sind. Die erste ist `selbstentpackend', d.h. man startet sie einfach durch Doppelklick und gibt das gewünschte Zielverzeichnis an, die zweite entpackt man mit einem Dekompressionsprogramm wie WinZip oder Pkunzip. Von diesen kostenlosen Programmen wird man ästhetische Wunder füglich nicht erwarten; diese werden allenfalls mit einem der kommerziellen, die sich auf der nachstehend genannten TLG-Homepage finden, erbracht. Aber nach Installation dieser Programme lässt sich zumindest unterstellen, dass es nicht an ihnen liegt, wenn der Text unverständlich bleibt.

Der Online-Zugriff funktioniert im übrigen auch auf dem heimischen Rechner, sofern man den Einwählzugang des Rechenzentrums nutzt1. Man folgt einfach dem Link

http://stephanus.tlg.uci.edu/inst/fontsel

und ist am richtigen Einstiegspunkt. Bei der ersten Anmeldung muss man ein Benutzerkonto einrichten, ab dem zweiten Mal kann man ohne Eingabe von Benutzername oder Passwort sofort mit der Recherche beginnen. Es wird eine große Palette verschiedener Suchmöglichkeiten wie Suche mit log. Operatoren oder Suche mit sog. `Regular Expressions' geboten, die an der genannten Stelle ausführlich beschrieben werden.

Eine detaillierte Liste der verwendeten Ausgaben, den sog. `TLG Canon', findet man unmittelbar auf der Startseite. Diese stellt ein komplettes Verzeichnis der griechischen Autoren dar und kann nach verschiedenen Kriterien, wie z.B. Chronologie und Gattung, durchsucht werden.

Die Suchergebnisse lassen sich natürlich auch exportieren. Während Nutzer der landläufigen `Standard-Software' dabei sicher einiges Zusätzliche für die Qualität des Output tun müssen, können LaTeX-Nutzer auf mehrere Softwarepakete zurückgreifen, die eine qualitativ hervorragende Wiedergabe gewährleisten. An erster Stelle zu nennen ist hier das `Paket' Ibycus4 von P. McKay, das, wie der Name schon sagt2, gut mit dem traditionellen `Beta-Code' zurechtkommt (Kleinigkeiten wie v.a. der unterschiedlich kodierte Akut- und Gravis-Akzent lassen sich mit einem simplen Editor-Macro leicht nacharbeiten; das Paket ist zu finden auf http://www.dante.de/cgi-bin/ctan-index); in zweiter Line ist das `Babel'-Paket mit der Option polutonikogreek zu nennen; wegen seiner grundsätzlich abweichenden Kodierung leider erst an letzter Stelle das in Eichstätt verwendete Paket ygreek, was wegen seiner hervorragenden typographischen Qualität besonders zu bedauern ist.

Es ist zu hoffen, dass möglichst viele Interessierte an der KU diese neue komfortable Möglichkeit nutzen, damit sie uns, im Zeitalter der Haushaltssperren und angesichts des nicht geringen Preises, auf Dauer erhalten bleiben möge, und zwar selbst dann, wenn nicht der ebenso erhoffenswerte wie wenig erhoffbare Fall eintritt, dass der Finanzminister

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Footnotes:

1Näheres: http://www.ku-eichstaett.de/Rechenzentrum/dienstleist/modem.  

2`Ibycus' war der Name eines in den 70er Jahren von David Packard speziell zur Verarbeitung griechischer, mit dem sog. `Beta-Code' transliterierter Texte entwickelten `Mini-Mainframe'.  

3Aristophanes, Acharner 81. 



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