Linux - von DOS zu UNIX

I. Kemmerzell


        

Linux ist ein frei verfügbarer UNIX-Clone für PC-Architekturen des Typs Intel 386 sowie dessen Nachfolger.

Im Mittelpunkt jedes UNIX-Systems steht der sogenannte Kernel. Dabei handelt es sich um den Teil des Betriebssystems, der nach dem Start in den Hauptspeicher des Rechners geladen wird. Der Kernel kontrolliert sämtliche Hardwarezugriffe, die direkt durch Benutzeraktionen oder indirekt über Programme angefordert werden. Er bildet andererseits auch die Schnittstelle zu Anwendungs- und Systemprogrammen, unter denen die Befehlsinterpreter (die sogenannten Shells) eine besondere Rolle spielen.

Der Linux-Kernel unterstützt die Architektur des Demand Loading, bei der nur die benötigten Teile eines Programmes in den Hauptspeicher geladen werden. Als leistungsfähiges Multiuser/Multitasking-System unterstützt es ferner einen Paging-Mechanismus, der bei Bedarf 4 KB große Speicherseiten vom Haupt- in den Sekundärspeicher (Swap-Datei/Partition auf der Festplatte) verlagert. Ferner gewährleistet dynamisches cache buffering, daß nicht genutzter Speicher als Festplatten-Cache verwendet wird. Ein weiteres Konzept wird mit der Integration von Shared Libraries verfolgt: Dabei werden Bibliotheksroutinen, die simultan von mehreren Prozessen genutzt werden können, erst während der Laufzeit eines Programm zur Verfügung gestellt. Im Vergleich zu statisch gebundenen Programmen wird dabei die Größe der Programmdatei sowie der im Hauptspeicher geladenen Kopie deutlich reduziert. Schließlich bietet Linux - wie jedes leistungsfähige UNIX-System - eine ausgereifte Netzwerkunterstützung auf Basis von TCP/IP an.

Der von Linus Torvalds entwickelte Kernel stellt zwar quasi das Herz eines jeden Linux-Systems dar, liefert aber alleine noch keine arbeitsfähige Plattform. Neben dem Kernel beeinflussen Umfang und Qualität der unterstützten Dateisysteme wesentlich den Nutzen eines Betriebssystems. An erster Stelle ist hier das zweite erweiterte Dateisystem von Remy Card zu nennen, das sich mittlerweile zum Standard jeder Linux-Distribution entwickelt haben dürfte. Für Umsteiger dürfte interessant sein, daß das von DOS benutzte FAT-Dateisystem (Lese-/Schreibzugriffe) sowie das HPFS von OS/2 (nur Lesezugriffe) und ein CDROM-Dateisystem gemäß ISO9660 sowie einer Rock-Ridge-Erweiterung zur Verfügung stehen.

Als Benutzer werden Sie sicherlich zunächst mit den Anwendungsprogrammen konfrontiert. Dabei werden Sie auf sämtliche Werkzeuge eines typischen UNIX-Systems stoßen, wobei die meisten der vorliegenden Varianten aus dem Fundus der Free Software Foundation stammen und üblicherweise im Vergleich zu ihren klassischen Vorbildern einen deutlich erweiterten Funktionsumfang besitzen. Wichtigste Vertreter dürften hier der GNU emacs und der C-Compiler gcc sein.

Die Unterstützung graphischer Benutzeroberflächen wird heute als selbstverständlicher Bestandteil eines modernen Betriebssystem vorausgesetzt. In der UNIX-Welt hat sich dabei das X Window System (kurz: X) durchgesetzt, eine Client-Server-Implementation einer graphischen Benutzerschnittstelle. Das X-Protokoll definiert die Kommunikation zwischen den X-Clients (typischerweise Anwendungsprogramme) und dem auf dem lokalen Rechner laufenden hardware- und systemabhängigen X-Server, der die Steuerung von Tastatur, Maus und Monitor(en) übernimmt. Für eine Reihe handelsüblicher Graphikkarten steht mit XFree86 3.1.1 ein kostenloser X-Server für Linux und eine Reihe weiterer PC-basierter UNIX-Varianten Verfügung.

Neben den bereits erwähnten Standard-Werkzeugen bilden Client-Programme für Kommunikationsdienste wie NetNews (trn, tin, xrn), Gopher (xgopher), Archie (xarchie), FTP (ftp, xftp) und WWW (Mosaic, Netscape) die Schwerpunkte unserer Installation. Natürlich stehen mit einer TeX/LaTeX-Implementation auch Textverarbeitungsfunktionen zur Verfügung. Wenn Sie dagegen andererseits ein Programm wie SNNS zur Simulation neuronaler Netze betrachten, können Sie etwa die Bandbreite der unter Linux bereits unterstützten Software erahnen.

Möglicherweise stellen Sie sich jetzt die Frage, warum Sie eigentlich Linux verwenden sollen. Die technischen Aspekte alleine dürften meist kein Anlaß für die Installation und Nutzung eines neuen Betriebssystems sein. Ein Grund könnte sein, daß Sie sich einige UNIX-Grundkenntnisse aneignen möchten, was sich spätestens mit der Ablösung unseres Zentralrechners durch dezentrale Server zumindest als nützlich erweisen wird. Oder kennen Sie folgendes Problem? Sie sitzen gerade an Ihrer Seminararbeit und lassen Ihre TeX-Datei übersetzen. Nun bleibt Ihnen während des Formatier-Laufs nicht viel mehr übrig als Kaffee zu trinken, da Ihr Rechner (oder genauer gesagt sein Betriebssystem DOS) keine weiteren Aktivitäten zuläßt. Sinnvoll wäre doch hier, wenn Sie Ihre TeX-Datei formatieren lassen und gleichzeitig etwa eine interaktive Datenrecherche im World Wide Web vornehmen könnten. Ein weiteres Schicksal, das viele aus eigener Erfahrung kennen dürften: Meist sind es genau die nützlichsten Programme, die sich unter Windows nicht vertragen und Sie freudig mit einer kryptischen Speicherschutzverletzung begrüßen, bevor Sie im Nirwana des Rechners untertauchen. Nicht selten geschieht dies gerade einige Augenblicke vor Beendigung des Textverarbeitungsprogrammes, mit dem Sie seit knapp zwei Stunden arbeiten und eigentlich wollten Sie Ihre Änderungen sofort sichern, mußten zuvor aber nur noch ganz schnell etwas ändern ... Meist werden derartige Probleme dadurch verursacht, daß Anwendungsprogramme unkontrolliert in nicht dafür vorgesehene Speicherbereiche schreiben. Linux läßt eine derartige Piraterie nicht zu und beendet den Prozeß des betreffenden Anwendungsprogrammes.

Wenn Sie bislang ausschließlich DOS/Windows verwendet haben, sind Sie vermutlich daran interessiert, Linux alternativ zu Ihrem bisherigen System verwenden zu können. Mit Hilfe von LILO (Linux Loader), einem vielseitigen Bootmanager, können Sie neben Linux noch DOS und/oder OS/2 betreiben. Beispielsweise können Sie LILO so konfigurieren, daß direkt nach Anschalten des Rechners eine Information ausgegeben wird, der ein Prompt folgt. Über die Tabulator-Taste erhalten Sie dann eine Kurzbezeichnung der angebotenen Betriebssysteme. Falls innerhalb eines begrenzten Zeitraums keine Eingabe erfolgt, wird das zuerst angegebene System gestartet. Eine derartige Installation haben wir an einigen PCs der Mikrorechnerräume in Eichstätt und Ingolstadt durchgeführt.

Sollten Sie an weiteren Informationen interessiert sein, bietet sich das Internet als das geeignete Medium an. Insbesondere stehen eine Reihe von FTP-Servern zur Verfügung, die größere Linux-Archive bereitstellen. Eine herausragende Bedeutung besitzen dabei die Server ftp.funet.fi, tsx-11.mit.edu und sunsite.unc.edu. Sie sollten allerdings diese Rechner unbedingt meiden, da Ihr Archiv regelmäßig von deutschen Servern gespiegelt wird. Sinnvolle Angebote in heimatlichen Gefilden stellen beispielsweise dar:

           ftp.cs.tu-berlin.de:/pub/linux
           ftp.informatik.hu-berlin.de:/pub/os/linux
           ftp.informatik.tu-muenchen.de:/pub/comp/os/linux
           ftp.uni-erlangen.de:/pub/Linux
           ftp.informatik.rwth-aachen.de:/pub/Linux
           ftp.uni-paderborn.de:/pub/linux
Falls Sie auf Informationen in gebundener Form Wert legen, finden Sie mittlerweile auch auf dem deutschsprachigen Buchmarkt ein vernünftiges Angebot. Wenn Sie sich für ein Buch entscheiden, sollten Sie allerdings unbedingt Wert auf eine aktuelle Ausgabe (Erscheinungsjahr 1995) legen, um zumindest über halbwegs zeitgemäße Informationen zu verfügen. Gerade Linux' hohe Entwicklungsdynamik spricht eher für das Internet als Medium. Hier bieten sich neben den Linux-FAQs die HOWTO-Dokumente zu einzelnen Themen an, beides finden Sie auf den o.a. FTP-Servern. Falls Sie konkrete Lösungsvorschläge zu einem Problem benötigen (und Sie trotz Lektüre des betreffenden HOWTOs und sonstiger Informationsdateien nicht weitergekommen sind), bieten sich folgende Newsgroups an:

  comp.os.linux.answers
  comp.os.linux.setup
  comp.os.linux.hardware
  comp.os.linux.networking
  comp.os.linux.x
  comp.os.linux.development.apps
  comp.os.linux.development.system
  comp.os.linux.advocacy
  comp.os.linux.misc
  de.comp.os.linux
Linux selbst wird im Rahmen sogenannter Distributionen vertrieben. Neben dem Kernel werden dabei System- und Anwendungssoftware in teilweise enormen Umfang (über 600 MB) angeboten. Eine gute Distribution zeichnet sich dadurch aus, daß Sie über eine verständliche, weitgehend fehlerfreie Installationsroutine verfügt, die eine modulare Installation ermöglicht. Ferner sollte eine flexible und einfache Anpassung an Ihre lokalen Hard- und Software-Bedingungen möglich sein. Schließlich bildet auch hier wieder das Erscheinungsdatum ein wichtiges Beurteilungskriterium. Unsere Installation beruht auf der bereits recht angestaubten Version des Erlanger Linux Support Teams (LST) vom Juli 1994, die durch diverse Software der S.u.S.E.-Distribution vom November 1994 ergänzt wurde. Allerdings wurden umfangreiche Aktualisierungen von wesentlichen Komponenten (z.B. GNU C-Compiler, Shared Libraries, XFree86 3.1.1) vorgenommen, so daß von einer einheitlich zugrunde liegenden Distribution eigentlich nicht mehr gesprochen werden kann. Einschränkend möchte ich hinzufügen, daß die Software-Menge, die wir derzeit bereitstellen und pflegen können, etwa bei 300 MB liegt. Engpaßfaktor ist hierbei die Plattenkapazität, so daß auch in absehbarer Zukunft keine wesentliche Erweiterungen zu erwarten sind. Falls Sie allerdings der Meinung sind, daß wir ein wichtiges Programm übersehen haben, sollten Sie einen der Ansprechpartner kontaktieren.

Welche Anforderungen stellt Linux an Sie als Benutzer? Sie sollten mit einem Kommandointerpreter (i.d.R.\ DOS' command.com) sicher umgehen können. Weiterhin sollten Sie die wichtigsten Merkmale Ihres PCs wie dessen Architektur, Festplatte, Graphikkarte, Prozessor, ggf. CD-ROM-Laufwerk, Netzwerkkarte und weitere Controller (z.B. SCSI- oder EIDE-Adapter) zumindest dem Namen nach kennen, da Sie ansonsten mit Problemen bei der Installation oder während des Betriebes rechnen müssen. Wenn Sie sich für eine Installation entschieden haben, sollten Sie - unabhängig von den Beschreibungen im Handbuch - eine Komplettsicherung Ihrer bislang verwendeten Systeme durchführen. Gerade bei der Installation werden einige äußerst sensible Funktionen ausgeführt, so daß Sie bei einer Fehlbedienung des entsprechenden Programmes (z.B. fdisk) damit rechnen müssen, daß Ihre Daten irreversibel zerstört sind. Wenn Ihre Linux-Installation im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Rechners oder einzelner Hardwarekomponenten steht, sollten Sie sich unbedingt vorab informieren, ob und wie Ihr Wunschmodell überhaupt von Linux unterstützt wird, um Enttäuschungen zu vermeiden. Gerade die leider immer noch weit verbreitete Neigung von Hardware-Herstellern, benötigte Systemsoftware lediglich für DOS/Windows anzubieten, stellt einen wesentlichen Hinderungsgrund zum Wechsel auf leistungsfähigere Betriebssysteme dar.


Ansprechpartner im URZ:

Ingo Kemmerzell              Zimmer In: AS-301     CEO-Mail: kemmerzell 
                             Tel.: -1888           PMail: ingo.kemmerzell
Alexander Kaltenbacher       Zimmer In: AS-303     CEO-Mail: kaltenbacher
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Tomasz Partyka               Zimmer Ei: eO-107     CEO-Mail: partyka
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Barbara Woitas               Zimmer Ei: eO-108     CEO-Mail: woitas
                             Tel.: -1669           PMail: barbara.woitas