Bloomberg - Börseninformationsterminal an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät


    

Zu Beginn des Wintersemesters wurde an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Kath. Universität Eichstätt ein Börseninformationsterminal der Fa. Bloomberg installiert, das inzwischen von Studierenden und Dozenten rege genutzt wird. Über Hintergründe und Zielsetzungen des Einsatzes eines derartigen Systems an einer Wirtschaftswiss. Fakultät sprach die INKUERZE-Redaktion mit Dr. Stefan May, ehemaliger Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie (Prof. Dr. J. Schneider) und Initiator dieses Projektes.

INKUERZE: Herr Dr. May, das bereits seit geraumer Zeit hier im Haus installierte Bloomberg-Terminal erfreut sich reger Nachfrage. Herr Prof. Schneider und Sie sind die Initiatoren dieser Aktion, Sie haben den Kontakt zu Bloomberg hergestellt. Erzählen Sie uns, wie Sie zum Bloomberg-Nutzer wurden.

May: Ich kenne das Unternehmen "Bloomberg Financial Markets" nun ungefähr vier Jahre, um genau zu sein, seit Beginn meiner Tätigkeit bei H.C.M. (Hypo Capital Management) im Oktober 1989. Ich startete dort als "Researcher" für die internationalen Finanzmärkte. Allerdings - und dies machte die Sache erst so richtig spannend - war zu diesem Zeitpunkt bei H.C.M. noch keinerlei Infrastruktur für Researchtätigkeit vorhanden; es mußte alles erst aufgebaut werden. In diesem Zusammenhang sahen wir uns u.a. nach einem Informationssystem um und stießen hierbei auf das Unternehmen Bloomberg, das zu diesem Zeitpunkt noch relativ neu am deutschen Markt war. Meine Kollegen und ich waren von Anfang an von diesem System begeistert und wir wurden einer der ersten Bloomberg-Kunden in Deutschland. Auf diese Weise entwickelte sich auch mein sehr gutes Verhältnis zum Geschäftsführer von Bloomberg in Deutschland, Herrn Barnick, dem wir dieses System letztlich zu verdanken haben.

INKUERZE: Wie konnten Sie Bloomberg dafür gewinnen, uns das an sich ja sehr kostspielige System kostenlos zur Verfügung zustellen?

May: Herr Barnick und ich treffen uns relativ regelmäßig in Frankfurt um Erfahrungen aus der Arbeit mit dem System auszutauschen. Bei meinem letzten Besuch kamen wir zufällig auf die Frage zu sprechen, inwieweit das Bloomberg-System auch geeignet für den Einsatz in der Lehre sein könnte. Ich machte dabei mehr scherzhaft den Vorschlag, er könne das System ja der Uni Eichstätt als Lehrinstrument zur Verfügung stellen. Ich rechnete eigentlich nicht mit einer positiven Resonanz. Aber zu meiner großen Überraschung ging Herr Barnick sofort darauf ein. Er telefonierte noch am selben Tag mit dem Inhaber des Unternehmens, Michael Bloomberg, und unterbreitete ihm meinen Vorschlag. Dieser fand die Idee gut und so nahm das Ganze seinen Lauf. Wir sind übrigens die erste und bisher die einzige Universität Deutschlands, an der dieses System steht. Ich nehme an, daß dies für Bloomberg auch eine Art Pilotprojekt ist.

INKUERZE: Worin sehen Sie den größten Nutzen eines Einsatzes dieses Systems in der Lehre?

May: Das System erlaubt es, den Studenten eine korrekte Vorstellung der Bedeutung von Theorien und insbesondere deren Stellenwert in der Praxis zu vermitteln.

INKUERZE: Könnten Sie dies konkretisieren?

May: Lassen Sie mich es an einem Beispiel verdeutlichen. Ein Wirtschaftsstudent, der die entsprechende Fächerkombination gewählt hat, muß sich im Verlaufe seines Studiums eingehend mit der Funktionsweise von Finanzmärkten beschäftigen. Dabei wird er in den diversen Vorlesungen mit den unterschiedlichsten Theorien "gequält", deren Bedeutung - insbesondere für die Praxis! - nicht unmittelbar einsichtig ist. So entsteht leicht der Eindruck, daß all diese Theorien letztlich nur Hirngespinste von praxisfernen Theoretikern seien und letztlich keinerlei darüberhinausgehende Bedeutung hätten. Eine solche Einstellung wird ja auch von vielen Praktikern geteilt. Ein Student, der solche Vorurteile mit sich herumträgt, und der nun mit dem Bloomberg-Terminal zu arbeiten beginnt, erlebt u.U. eine heilsame Überraschung: Denn genau die als so praxisfern gescholtenen Theorien finden sich in den unterschiedlichsten Varianten in diesem System wieder, einem System, mit dem Praktiker in der ganzen Welt erfolgreich arbeiten. Dies wird den einen oder anderen vielleicht veranlassen, über den Sinn von Theorien noch einmal genauer nachzudenken.

INKUERZE: Was meinen Sie mit den "unterschiedlichen Varianten" von Theorien, die im System auftauchen?

May: Jeder Student der Finanzierungstheorie beispielsweise lernt (oder sollten lernen), was "arbitragefreie Bewertung" bedeutet. Diese hochabstrakte Theorie findet nun im System seinen Niederschlag beispielsweise als "fairer Preis" einer Anleihe, oder im sogenannten "option adjusted spread". Diese Konzepte, die - ich betone es noch einmal eindringlich - in der Praxis elementare Bedeutung haben, sind jedoch nur zu verstehen, wenn auch die zugrundeliegende Theorie verstanden worden ist. Ein anderes Beispiel ist das sogenannte "Black-Scholes-Modell": Auch hier handelt es sich zunächst um eine hochabstrakte Theorie. Aber der Ausfluß dieser Theorie findet sich nicht nur im Bloomberg-System, sondern beispielsweise auch in der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt", nämlich in Form von theoretischen Preisen für Optionskontrakte. Optionshändler auf der ganzen Welt beachten diese theoretischen Kurse. Verstehen kann man ihre Bedeutung - und insbesondere auch die Beschränkung in ihrer Aussagekraft - jedoch nur auf der Basis vertiefter Theoriekenntnisse. Ansonsten bleibt man immer ein unkritischer Nur-Anwender.

INKUERZE: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sehen Sie den Hauptzweck des Systems darin, den Studenten ein adäquates Verständnis von Theorien nahe zu bringen.

May: Diesen Zweck halte ich persönlich für am bedeutendsten. Zugleich, glaube ich, wird dieser Aspekt häufig übersehen. Darum möchte ich ihn in den Vordergrund rücken. Selbstverständlich vermittelt das System auch ganz konkrete Fertigkeiten, eben den Umgang mit einem der modernsten Börseninformationssysteme, die in einer späteren beruflichen Tätigkeit durchaus eine große Rolle spielen können. Nur sehe ich darin nicht den eigentlichen Sinn einer Universitätsausbildung, so interessant dies im einzelnen auch sein mag.

INKUERZE: Wie sollte das System an der Universität konkret eingesetzt werden?

May: Hier sind sicherlich mehrere Möglichkeiten denkbar. Entscheidend jedoch ist eine weitgehende Einbeziehung in die Lehre. Dies entspricht auch den Intentionen von Bloomberg. In den Fächern "Finanzwirtschaft", "Geld, Kredit und Währung" und "Bankwirtschaft" sind die entsprechenden Einsatzfelder offensichtlich. Da das System jedoch sehr breit aufgebaut ist, kann ich mir auch in den Finanzwissenschaften und der Wirtschaftspolitik sinnvolle Einsatzmöglichkeiten vorstellen.

INKUERZE: Sie erwähnen die Intentionen von Bloomberg. Warum glauben Sie, wurde uns das System letztlich zur Verfügung gestellt?

May: Sicherlich nicht, weil der May so ein netter Mensch ist. Bloomberg hat über den letzten Daseinszweck des Unternehmens nie Zweifel aufkommen lassen, nämlich Geld zu verdienen. Aber: Bloomberg möchte auch seinen Marktanteil und seinen Bekanntheitsgrad in Deutschland ausbauen. Hierzu ist das Unternehmen bereit, auch längere Umwege einzuschlagen. Das Uni-Projekt sehe ich als einen solchen Umweg an. Letztlich ist die Motivforschung aber uninteressant: Die Universität hat nur Vorteile und keinerlei Verpflichtungen und es liegt ausschließlich an der Universität, was sie aus dem System macht.

INKUERZE: Es gibt wirklich keinerlei Verpflichtungen für die Universität?

May: Doch eine, nämlich jederzeitigen Zugang für die Studenten zu gewährleisten. Witzigerweise war dies am Anfang unserer Verhandlungen mit Bloomberg tatsächlich ein ernstes Thema. Bloomberg hatte offensichtlich die Befürchtung, daß das System an irgendeinem Lehrstuhl installiert werden könnte und der Zugang der Studenten zum System dadurch stark eingeschränkt sein würde. Sie sehen also, der freie Zugang der Studenten zum System steht für Bloomberg an erster Stelle, was ja durchaus nachvollziehbar ist. Ich glaube, eine diesbezügliche Einschränkung durch Professoren oder Assistenten würde Bloomberg nicht akzeptieren.

INKUERZE: Was ist für Sie der schlechtmöglichste Bloomberg-Einsatz?

May: Wenn die Leute stundenlang vor dem System hocken und die Börse mit einem Spiel-Casino verwechseln würden. Dann hätten wir irgend etwas falsch gemacht.

INKUERZE: Herr Dr. May, wir danken Ihnen für das Gespräch.